DVZ-Sonderbeilage TMS: Das ist der Schlüssel zur Spedition 4.0

Veröffentlicht am 15.09.2020

DVZ-Sonderbeilage TMS, 15. September 2020 

 

Selbstverständlich ist es alles andere als gewöhnlich, eine Veranstaltung ohne Teilnehmer vor Ort durchzuführen. Andererseits eignet sich wohl kaum ein Thema besser für diese verlagsinterne Premiere als Transportmanagementsysteme und wie diese die Spedition von morgen nachhaltig prägen werden.

 

Über zwei Veranstaltungstage hinweg führten Sebastian Reimann, Chefredakteur der DVZ, und Rainer Hoppe, geschäftsführender Gesellschafter, Apari Consulting, durch die erste völlig digitale Konferenz des Verlags.

 

Dabei erhielten Zuschauer Erkenntnisse über die zunehmende digitale Vernetzung und welche Mehrwerte sich daraus erzielen lassen. Daten sind das Stichwort. Allerdings wurde schnell klar, dass Daten allein keinen Nutzen stiften. Auf die Auswertung kommt es an sowie auf die Mitarbeiter, die bei diesem Prozess mitgenommen werden und entsprechend geschult werden müssen.

 

Am Ende waren sich alle Beteiligten einig, dass dieser Erfahrungsaustausch äußerst bereichernd war und auch rein digitale Veranstaltungen funktionieren können.

 

Mammutprojekt von DHL Freight

Der Nachmittag des ersten Konferenztages stand ganz im Zeichen von TMS-Roll-outs im internationalen Umfeld. Am konkreten Beispiel von DHL Freight erklärten Torsten Vogt, Vice President Digital Transformation, Dr. Stefano Arganese, CDO und Uwe Hess, CIO, alle von der DHL Freight GmbH, worauf es dabei besonders ankommt.

 

Ein Mammutprojekt für DHL Freight, die in mehr als 30 Ländern 13.000 Mitarbeiter bei diesem Prozess mitnehmen müssen. Dabei wurde verdeutlicht, wie wichtig es zunächst sei, alle internen Prozesse zu simplifizieren. Konkret wurde die Vereinheitlichung der Steuerungslogik sowie die Harmonisierung von Prozessen und Geschäftsregeln dabei angesprochen. Anschließend müsse durch eine Gap-Analyse identifiziert werden, welche Probleme beziehungsweise Lücken vorliegen. Abschließend könne die Entwicklung des Programms starten.

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt sei demnach das sogenannte „Leading Change Management“. Darunter versteht man, die Befähigung von Führungskräften vor Ort. Sie müssen das Handwerk lernen, wie ein TMS funktioniert und sich weiterentwickeln lässt, so dass die Kernkompetenz an allen Standorten vorhanden ist.

 

DHL habe in Frankreich und der Türkei bereits zwei erfolgreiche Pilot-Projekte hinter sich gebracht. Auf dem deutschen Markt sei der Roll-out für das Jahr 2022 geplant. Man wolle für diesen Schritt gut vorbereitet sein. In drei bis vier Jahren möchte man das Projekt abgeschlossen haben. Dabei gelte jedoch der Grundsatz „Sicherheit kommt vor Schnelligkeit“.

 

Wie sich 34 Prozent Kosten pro Teu sparen lassen

Worauf es bei Roll-outs im internationalen Umfeld in der Luft- und Seefracht ankommt, erläuterten Friedrich Schierenberg, Geschäftsführer von CargoSoft, und Frank Rottmann-Simon, Geschäftsführer bei Rieck Sea Air Cargo International. Dabei habe sich innerhalb der vergangenen 20 Jahre der gesamte Prozess grundlegend verändert, erklärt Rottmann-Simon. Damals sei die Auftragsabwicklung noch über 16 verschiedene Programme und an zwei unterschiedlichen Standorten abgelaufen.

Heute gebe es nur noch ein System für den Verkauf, die operative Abwicklung sowie die Abrechnung mit dem Kunden und die Partner-Anbindung. Zudem seien durchgängige Prozesse automatisiert worden wie ein Door-To-Door-Tracking-System. Und all das laufe über eine weltweit einheitliche IT-Infrastruktur mit zentralem Anwendungs-Know-how.

 

Als Erfahrungswerte nehmen Rottmann-Simon und Rieck mit, dass sich Investitionen in moderne Technik sowie dokumentierte Abläufe lohnen. Zudem dürfe man bei aller Digitalisierung die Menschen nicht vergessen. Die auf das TMS geschulten Mitarbeiter müssten anschließend auch mit genügend Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten ausgestattet werden. Dennoch müsse man auch weiterhin konstant mit Know-how vor Ort unterstützen. Zu guter Letzt sei das nötige Fingerspitzengefühl entscheidend. Man müsse zwar versuchen Vorgaben einheitlich durchzusetzen, dabei aber immer die lokalen Voraussetzungen mit in Betracht ziehen, stellt der Rieck-Geschäftsführer heraus.

 

Wenn diese Punkte beachtet werden, könne ein beachtlicher Nutzen aus dem TMS gezogen werden. Rieck hat diesbezüglich die Verwaltungskosten je Teu von 2009 (mit altem System) und 2019 (mit neuem TMS) verglichen und festgestellt, dass die Kosten je Teu um 34 Prozent gesunken sind. Dem gegenüber stehe nur eine marginale Steigerung der IT-Kosten sowie Einführungskosten von circa 3.000 EUR pro TMS-Nutzer. Grundsätzlich bewegen sich die Kosten für ein derartiges TMS zwischen 1.500 EUR und 7.000 EUR, sagt Friedrich Schierenberg von Cargosoft. Rieck befindet sich somit im unteren Drittel der durchscnittlichen Einführungskosten. Das liege sowohl am Verhandlungsgeschick des Rieck Geschäftsführers als auch an der Größe des Unternehmens, sagt Schierenberg und führt den Grundsatz aus: „Je größer das Unternehmen, desto kleiner die Einführungskosten pro TMS-Nutzer.“

 

Neben diesem quantitativen Vorteil nennt Rottmann-Simon auch einen qualitativen Mehrwert: Alle Mitarbeiter arbeiten an einem operativen System und somit auf einheitlicher Datenbasis. Das helfe Fehler zu minimieren und erleichtert interne Prozesse. Zusammenfassend bewertet Rieck-Chef den Roll-out des Transport Management Systems von Cargosoft als positiv und plant weitere Investitionen: „Wir wollen weiter in Digitalisierung investieren und dadurch weiter wachsen.“

 

Preisfindung mit einem BI-System

Am zweiten Veranstaltungstag ging es etwas tiefer in die Materie. Dabei sprachen Dietmar Haveloh, Key Account Manager, und Felix Samu, BI Expert von Anaxco, über Business-Intelligence-Systeme und wie man damit vom Controlling zum Prozess-Consulting gelangt. Die Zeit, in der produktive Systeme verlangsamt wurden, weil Auswertungen immer periodenbezogen, zeitlich verzögert, mühsam und nicht digital abliefen, sei demnach vorbei.

 

Bei einem modernen Business-Intelligence-System handele es sich nicht nur um ein einfaches Dashboard oder ein einmaliges Projekt. Alle wichtigen, validen Daten werden automatisch identifiziert, aggregiert und ausgewertet. Anschließend gibt das System auf Grundlage dieser Daten eine Entscheidungsunterstützung. Das System ist unternehmensweit einsetzbar und zu einem hohen Grad individualisierbar. Hinzu kommt, dass diese Auswertungen insbesondere bei mittelständischen Unternehmen oftmals von zwei bis drei Mitarbeitern erledigt werden. Damit ist dieser Bereich sehr stark abhängig vom verantwortlichen Personal. Durch das BI-System mache ein Unternehmen sich davon weitestgehend unabhängig.

 

Als Anwendungsbeispiel wurde gezeigt, wie das System bei der Preisfindung unterstützen kann. So stelle sich das System zunächst die Frage, ob Frachtraum an jedem Tag in der Woche dasselbe kostet und welche Faktoren dafür eine Rolle spielen. Dabei fließen neben Angebot und Nachfrage diverse Parameter mit in die Bewertung ein. Das BI-System könne mit Hilfe der Datenanalyse erhebliche Kosten einsparen, indem es den günstigsten Preis für den passendsten Zeitpunkt findet. Am Ende sei es natürlich wichtig, dass aus der datenbasierten Entscheidungsunterstützung des BI-Systems auch eine Handlung umgesetzt wird. „Es ist wichtig, dass dieser Prozess im Unternehmen gelebt wird und Auswertungen nicht einfach abgeheftet werden“, rät der BI-Experte Felix Samu für die Zeit nach der Einführung des Systems.

 

Digitaler Helfer in der Fahrerkabine

Zum Abschluss der TMS-Konferenz gab Timo Ketterer, Produkt- und Systemmanager bei Continental Aftermarket & Services, einen Einblick, wie der digitale Tachograph helfen kann, die Dokumentation zu digitalisieren und somit einen Mehrwert zu schaffen.

 

Der ursprüngliche Zweck des digitalen Tachographen, nämlich die Lenk- und Ruhezeiten sowie Geschwindigkeit des Fahrers zu überwachen, sei heute längst überholt. Heute sei vielmehr die Rede von einem „intelligenten Tachographen“, der als Teil eines digitalen Ökosystems für die Spedition 4.0 betrachtet wird und einen echten Mehrwert für das Unternehmen liefern soll. Somit seien heute BAG-Kontrollen beispielsweise von Kabotageverstößen über eine kurze Kommunikation mit dem Tachographen möglich. Die datenschutzrechtlichen Maßnahmen seien standardisiert worden, und die Positionsdaten des LKW seien valide und einfach abzurufen beziehungsweise zu übermitteln. So ließen sich verschiedene Daten für Telematikdienstleister extrahieren, um diese nutzwertig beispielsweise für das Flottenmanagement zu verwenden. Bislang sei dies aber nur ein Zwischenschritt: „Der intelligente Tachograph bietet noch weitaus mehr Möglichkeiten und Daten, um den Nutzen für die Spedition 4.0 weiter zu erhöhen“, sagt Ketterer. (tb)